Freitag, 4. Februar 2011

Im Rehabilitationszentrum "Svaté Anny"

Sie ist gestürzt. Das hätte nicht passieren dürfen. Jetzt liegt sie hier in diesem Krankenhaus, die Betten sind hart, das Essen schlecht, die Schwestern unfreundlich. Außerdem müsste sie dringend ihre Tochter anrufen, vielleicht kann sie schnell herkommen und mit ihr zur Toilette gehen, alleine kann sie es noch nicht. Sie fragt eine Schwester, sehr höflich, ob sie denn kein Telefon habe, das sie eben benutzen könne…?, doch die ist kurz angebunden und bügelt die Anfrage unwirsch ab. Na ja, sie haben eben einen harten Job, immer viel zu tun, aber etwas freundlicher könnten sie ja schon sein. Macht nichts, noch arbeitet die Tochter ja sowieso, sie ist Zahnärztin in einer ambulanten Klinik. Am Nachmittag kommt sie. Wie spät ist es eigentlich? Ach, da kommt ja Evi, die junge Freiwillige aus Heidelberg, oder war es Dresden? Egal. Wichtig ist, dass sie vielleicht ein Handy dabei hat. Wie? Zu Hause vergessen. Ach so. Sie dachte, diese jungen Leute würden ihre Mobiltelefone überall hin mittragen. Sie hätte es so dringend gebraucht, die Tochter kann ja gar nicht arbeiten, sie hat den Finger gebrochen, da kann sie ja genauso gut ein bisschen früher kommen. Sie hat noch die Schlüssel zu ihrer Wohnung, sie muss sie unbedingt fragen, ob denn auch abgeschlossen ist. Da kann ja Gott weiß was passieren. Da kommen die Schwestern mit dem Essenswagen herein. Schon wieder? Sie hat doch eben erst zu Mittag gegessen. Kartoffelbrei mit Hähnchen gab es, eigentlich nicht schlecht, aber der Salat hat gefehlt. Das Mädchen begleitet sie in den Vorraum, in dem gegessen wird. Sie ist ihre Fast-schon-Schwiegerenkelin, sie wird bald ihren Enkel heiraten. Welchen nochmal? Ist ja unwichtig. Ein sehr nettes Mädchen jedenfalls. Aber unbarmherzig. Sie füttert die alte Dame (als ob sie das nicht alleine könnte!) und besteht darauf, dass sie ihr Wasser trinkt. Dabei hat sie doch gar keinen Durst mehr! Warum müssen sie alle immerzu nur quälen? Und warum leiht ihr niemand ein Handy? Bei der Oberschwester hat sie auch keinen Erfolg. Heutzutage sind alle Menschen so misstrauisch. Haben wohl Angst, dass das, was man an ihrem Telefon bespricht, gegen sie verwendet werden kann, dass sie politische Unannehmlichkeiten bekommen. Dabei will sie doch nur die Tochter anrufen, sie soll den Schlüssel mitbringen. Sie hat einen Nachtstuhl gemietet, der ist abgeschlossen. Wenn die Tochter den Schlüssel nicht mitbringt, lässt sie niemand auf den Nachtstuhl gehen, und von den Windeln macht sie nur so ungern Gebrauch. Da kommen schon wieder die Schwestern und nehmen den noch halbvollen Mittagsessensteller wieder mit. Ob sie nicht ihre Tochter kennen würden und vielleicht gesehen hätten? Sie ist ja Zahnärztin, vielleicht war die Schwester schon mal bei ihr in Behandlung. Möglich wäre es ja. Aber die Schwester reagiert überhaupt nicht auf die nette Anfrage. Die versteht kein Deutsch. Ob die junge Dame ihre Enkelin wäre? Ja, das ist meine Enkelin, antwortet sie. Die Enkelin schenkt immer wieder ihr Glas ein, „damit Sie wieder zu Kräften kommen“, sagt sie. Bei so viel Naivität kann die alte Dame nur milde lächeln. Aber sie tut ihr den Gefallen und trinkt das Glas ganz aus, sie soll wegen ihr kein schlechtes Gewissen haben. Nicht, dass sie noch Schwierigkeiten bekommt. Sie ist so ein liebes Mädchen. Schade, dass sie ihr gar nichts anbieten kann. Irgendwo muss sie noch Waffeln haben, sie weiß aber gerade nicht genau, wo. Überhaupt, wo bleibt eigentlich die Tochter, sie müsste doch schon längst da sein. Sie muss unbedingt etwas sehr Wichtiges besprechen, was, fällt ihr gerade nicht mehr ein, aber die Tochter wird schon Bescheid wissen. Das Mädchen verabschiedet sich, es fährt wohl wieder nach Hause, nach Frankfurt. Hoffentlich findet es auch den Weg, nicht, dass es sich verfährt! Es sieht so verwirrt aus...

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Lieber Herr Prof. Ehrle,...
Lieber Herr Prof. Ehrle, vielen Dank für ihr fortgesetztes...
evamariawalther2 - 18. Sep, 13:51
https://www.asf-ev.de/de/e inblicke/lebenszeichen-vom -freiwilligendienst/eva-ma ria-walther.html
https://www.asf-ev.de/de/e inblicke/lebenszeichen-vom -freiwilligendienst/eva-ma ria-walther.html
EvaMariaWalther - 10. Jun, 18:30
Nachtrag: Ganze 1 1/2...
Nachtrag: Ganze 1 1/2 Wochen hat meine Fahrsperre gedauert....
EvaMariaWalther - 10. Mär, 23:26
https://www.asf-ev.de/de/e inblicke/lebenszeichen/eva -maria-walther.html
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EvaMariaWalther - 10. Mär, 23:21
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